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Um die Zukunft zu verstehen, musst du die Vergangenheit kennen …

Die Techno-Revolution vor 30 Jahren, die musikalischen Grenzen und reale Mauern einriss und sogar unser wohlbehütetes Inneres zerbröckelten ließ? Die archaische, ehrliche Energie der Punks, die alles Bestehende in Frage stellte? All das ist schön und gut. Aber wagst du es, noch weiter zurück zu gehen? Ganze zweihundert Jahre bis zur Revolution der Romantik, in der uns geheimnisvolle Männer wie der verzauberte Berloiz halfen, unsere körperlichen Grenzen für ein paar Momente zu überwinden... All diese Augenblicke haben uns, unsere Musik und unsere Kultur geformt. Letztlich versucht jede künstlerische Bewegung – wie wir heute – eine unsichere Welt, eine chaotische Gegenwart und eine schauderhafte Zukunft zu begreifen. Hell macht da weiter.

Welcome to the future … DJ Hell reflektiert seine Teilhabe an und seinen Beitrag zu diversen kulturellen und künstlerischen Bewegungen ab den späten 70er Jahren, seine Leidenschaft für die sich ständig weiterentwickelnden musikalischen Formen und sein Interesse an unserer gegen-wärtigen gesellschaftspolitischen Lage. Er greift tief in unsere kollektiven Erzählungen, erspürt unsere gemeinsamen Ängste und Wünsche, um sein bis dato persönlichstes, ehrgeizigstes und nachdenklichstes Werk zu erschaffen: Zukunftsmusik.

Auf seinem fünften Studioalbum Zukunftsmusik verschmilzt DJ Hell zahlreiche seiner „signature moments“: seine Leidenschaft für die Subversion von Regeln, Genres und Stilgrenzen, für großartige kosmische Soundscapes, für plötzliche Ausbrüche von Dancefloor Dynamik und für subtiles Songwriting. Trotzdem klingt Zukunftsmusik anders als alles, was Hell bisher gemacht hat. Zum ersten Mal verzichtet er auf einem Album auf Club Tracks, die für sich selbst stehen. So zieht sich eine magische Balance zwischen der Spannung eines klassischen Orchesters und suggestiven, futuristischen Synths durch alle Stücke. Licht und Dunkel, Hoffnung und Furcht, schnell und langsam, Tag und Nacht... Im Laufe einer Stunde lädt Helmut Josef Geier den Hörer auf die musikalische Reise eines gesamten Lebens ein.

Hells Bewusstsein für Fallhöhe dieses Projekts wirs schon beim zarten, romantischen, roboter-artigen Opener Anywhere, Anytime deutlich. Gelassen, raumgreifend und schonungslos intro-spektiv setzt dieses Stück einen unmissverständlichen Anfangspunkt für die Geschichte, die er entwickelt hat. Car Car Car holt uns aus dieser Monotonie heraus. Nachdenkliche Sci-Fi-Sounds rufen die weißen Fahrbahnbegrenzungen und grünen Randstreifen einer idealisierten Autobahn vor das innere Auge. Dann holt uns High Priest Of Hell tiefer in die Seele des Internationalen Deejay Gigolos-Gründers als je ein Stück zuvor. Es ist ein düsterer Acid Trip in die dunkle Faszination kultischer Macht. Hell sagt selbst, dass dieser Track das dunkelste Stück Musik ist, das er bis heute produziert hat.

Wir reiten weiter durch diesen Sturm der Zukunft, bewaffnet mit einem unerschütterlichen Gespür für die Vergangenheit... Wir Reiten Durch Die Nacht oszilliert zwischen der Feinheit von Kammermusik und der Gigantomanie der Raumfahrt. Dann lässt uns Army of Strangers wieder auf einem majestätischen Lichtstrahl stacheliger Hoffnung auf unserem eigenen Planeten landen, der oft nicht mehr als solcher zu erkennen ist. Eine gottesfürchtige, gläserne Spinne erkundet die menschliche Dualität zwischen Einheit und Verschiedenheit. So entsteht ein Theater der Schocks, das zwischen den extremen Kontrasten von Hells einmaliger Geschichte hin- und herspringt. Das kraftvolle, acidlastige, himmelschreiende Guede setzt eine rückhaltlose, körperliche Energie frei. Dieser Track verarbeitet den zyklusartigen Charakter von Leben und Sterben. Die bereits bekannte Single I Want U würdigt den Ursprung der elektronischen Musik und Clubkultur, die mit Gay Culture.

Mit 2 Die 2 Sleep schmiegen sich sanfte, Wesseltoftische Klangwellen wie zwei im Schlaf vereinte Liebende aneinander. K-House spinnt behutsam einen orchestralen, filmischen Faden und verschmilzt diesen mit einem marschierenden Rhythmus und einem Gefühl von Hoffnung. Die dramatische Instrumentierung bringt Momente von einst zurück, etwa I Want My Future Back und das zweiteilige Inferno. Die Akkorde, die Klänge und das Material überspannen Jahrhunderte von Musikgeschichte und entwickeln die stilistischer Konsistenz einer Suite, die alles zusammen-bringt. Woher wir herkommen, wohin wir gehen, warum die Menschheit schon immer Unsicher-heit, Angst und Unbekanntes erlebt hat: Es liegt an uns, dieser allgemeinen Situation mit kreativen Mitteln einen Sinn zu geben. Dann bringt uns Wild At Art zu einem angemessenen Abschluss. Fiebrige Pianoklänge führen uns zum Höhepunkt des DJ-Sets, das unser Leben symbolisiert. Die eindrucksvollen Vocals und die weiträumigen Hooklines werden von einem tiefen, zerrissenen Bass untermauert. All die losen Anklänge, Gedanken, Ideen und Aussagen, die sich durch das gesamte Album ziehen, werden in einen beachtlichen, aber doch zurückhaltenden Marsch in die Zukunft verschmolzen.

Wir leben in seltsamen Zeiten, aber wir sind nicht allein. Wenn es in der Gegenwart überhaupt irgendeinen gemeinsamen Nenner gibt, dann liegt der in einem Gefühl von Beschleunigung über jedes Tempo hinaus, das wir noch als angenehm oder als erträglich empfinden könnten. Was dieses eigentümliche Paradigmas der Gegenwart charakterisiert, ist ein Übermaß an Informa-tionen und ein gleichzeitiges tiefes Misstrauen in alles, was uns mitgeteilt wird. Aber mit der Zeit wird uns dieser Überfluss an einen Punkt bringen, von dem wir wissen, dass er real, wahrhaftig und authentisch ist und von Herzen kommt. Echte Kreativität, Musik, Kunst und greifbare men-schliche Verbindungen – das sind die Grundsteine der menschlichen Existenz. Ihnen hat DJ Hell sein Leben verschrieben. Zu feiern, zu unterhalten und, noch wichtiger als das, schöpferisch zu sein - das treibt Hell seit fast 40 Jahren an. "Zukunftsmusik" ist das Ergebnis dieser Leidenschaft.

Tracklisting:

01 Anywhere Anytime

02 Car Car Car

03 I Want My Future Back

04 Army Of Strangers

05 Wir Reiten Durch Die Nacht

06 Inferno Part 1 - Original

07 High Priestess Of Hell

08 Guede

09 2 Die 2 Sleep

10 I Want You

11 K-House

12 Inferno Part 2

13 Wild At Art

Bonus Tracks

1 Mantra

2 With U feat. Stereo MCs